Accente on Tour – Februar 2019
Upload, Download, teilen, posten – digitale Kommunikation fließt scheinbar ohne Grenzen. Alles gehört allen. Doch wer zahlt den – oft aufwändig erstellten – Content? Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Welche Regeln braucht es für Urheberschaft und geistiges Eigentum? Darüber sprach Martina Neunecker, Accente BizzComm, mit Rechtsanwältin und Urheberrechts-Expertin Marion Goller von der Media Kanzlei Frankfurt.
Martina Neunecker (MN): Herzlich Willkommen zu unserer Februar-Ausgabe von „Accente on Tour“. Unser heutiges Thema dreht sich um digitale Kommunikation und Urheberrechte. Dazu sprechen wir mit Marion Goller, sie ist Rechtsanwältin und Urheberrechts-Expertin in der Media Kanzlei Frankfurt. Vielen Dank, dass wir hier sein dürfen.
In der digitalen Kommunikation – ob auf eigenen Websites oder in sozialen Medien – werden mit einem einfachen Klick millionenfach Bilder, Videos und Texte gepostet. In vielen Fällen sind diejenigen, die ein Foto posten, nicht auch diejenigen, die es erschaffen haben. Es ist scheinbar alles möglich und auch alles erlaubt. Ist das Internet tatsächlich ein rechtsfreier Raum?
Marion Goller (MG): „Rechtsfreier Raum“ ist meines Erachtens ein Kampfbegriff. Wer diesen Ausdruck benutzt, hat meistens eine Agenda – denn es ist natürlich nicht alles erlaubt.
Allgemein kann man sagen, dass das Recht im Sinne von Rechtssetzung immer etwas langsamer ist, als das Leben. Das soll aber auch so sein. Wenn etwas Neues passiert, muss man erst einmal schauen, ob überhaupt neuer Regelungsbedarf besteht. Bezüglich des Urheberrechts hat das für mich zwei Facetten. Digitalisierung und das Internet haben Urheberrechtsverletzungen enorm erleichtert bzw. für den Otto-Normalverbraucher überhaupt erst möglich gemacht. Das Urheberrecht richtete sich ursprünglich nicht gegen Privatpersonen, weil Privatpersonen früher überhaupt nicht in der Lage waren, entsprechende Verletzungen zu begehen. Die Technologie dafür existierte ja noch gar nicht. Irgendwann gab es dann Kopierer, Kassettenrekorder und Videorekorder. Heute bestehen viele geschützte Werke nur noch aus Nullen und Einsen und können verlustfrei und ohne Materialkosten kopiert und verbreitet werden. Aber erlaubt ist das deswegen noch lange nicht.
MN: Aber genau um diese illegale Weiterverbreitung zu verhindern oder einzuschränken, gibt es ja das Urheberrecht.
MG: Genau. Aber es ist eben nicht nur die Verletzung leichter geworden, sondern die Durchsetzung wurde gleichzeitig schwerer. Man muss die Verletzungen erst einmal bemerken und dann herausfinden, wer dafür verantwortlich ist. Das gilt in ähnlicher Weise auch für andere Rechtsbereiche, zum Beispiel das Äußerungsrecht. Es ist heute leider viel einfacher geworden, jemanden in der Öffentlichkeit, also vor einem großen Publikum, im Internet, zu beleidigen oder zu verleumden. Insgesamt ist die Technologie sozusagen in das Urheberrecht eingedrungen und hat es etwas aufgemischt. Auf der anderen Seite stimmt aber auch das Umgekehrte: Es gibt viele Handlungen, die sich „privat anfühlen“ und die auf den ersten Blick auch niemandem wehtun oder etwas wegnehmen, die aber trotzdem durch den Exklusivanspruch des Urheberrechts verboten sind. Und so ist eben auch das Urheberrecht ins Privatleben eingezogen.
MN: Welche Folgen hat das ganz konkret für die Praxis? Worauf sollte ich achten im Umgang mit Urheberrecht?
MG: Viele Leute sind erstmal ein bißchen überfordert – sie mussten sich ja bisher nicht damit beschäftigen. Durch das Internet und durch den Zwang, eine eigene Webpräsenz zu haben, ist man heute mehr oder weniger gezwungen, sich damit auseinander zu setzen. Wenn man nicht wenigstens rudimentäre Kenntnisse hat, kann das schnell in die Irre führen. Oft fehlt ganz einfach das Bewusstsein dafür, was erlaubt und was verboten ist. Wenn ich früher aus einer Zeitschrift etwas kopiert habe, z.B. Motive aus einem Film, und daraus meine Geburtstagseinladung gebastelt habe, dann hat das niemanden interessiert und es hat eigentlich auch niemandem wehgetan. Im Internet bekommt das aber eine andere Dimension, vor allem, wenn es nicht mehr nur um private, sondern um geschäftliche Webauftritte geht. Nicht jedes Bild oder jeden Text, den ich im Internet finde, darf ich ungefragt für meine eigene Webpräsenz verwenden. Der Grundsatz ist sogar genau umgekehrt: Ohne Erlaubnis darf ich erst einmal überhaupt nichts von dem verwenden, was ich so finde, weil die meisten Dinge urheberrechtlich geschützt sind. Und trotzdem passiert das immer wieder. Es geht dabei ja nicht nur ums Geld. Oft fehlt auch die sogenannte Urheberbenennung, also die Anerkennung dafür, dass hier jemand kreativ tätig geworden ist. Wenn das dann bemerkt wird, kann es teuer werden.
MN: Auch im Internet gilt also grundsätzlich das Urheberrecht?
MG: Natürlich. Und das Urheberrecht ist ein Exklusivrecht, d.h. die Rechte zur Nutzung liegen zunächst alleine beim Urheber – alle anderen müssen um Erlaubnis fragen. Dahinter steht der Gedanke, dass Kunst und Kultur irgendwie finanziert werden müssen. Man nimmt an, wenn alles frei kopierbar wäre und niemand mehr bezahlt, dann gäbe es irgendwann keine Kunst mehr. Was natürlich völlig übertrieben ist, denn das Urheberrecht ist gerade mal 300 Jahre alt, in Deutschland sogar noch sehr viel jünger, und Kunst gab es auch schon vorher. Deswegen gibt es heute – auch unter Kulturschaffenden – Menschen, die diesen „alles ist verboten“-Ansatz ablehnen und die Frage stellen, ob das Urheberrecht noch der einzige oder auch nur der beste Weg ist, um Kunst zu finanzieren. Das ist aber eine Frage, die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene diskutiert werden sollte. Bis dahin bleibt es bei dem Grundsatz, dass man vor der Nutzung fremder Inhalte mal kurz überlegen sollte, ob sich hier nicht jemand große Mühe gemacht hat und dafür Anerkennung und vielleicht Bezahlung möchte.
MN: Absolut richtiger und wichtiger Hinweis. Und das gilt gewiss nicht nur im Business-Kontext, sondern eben auch für Privatpersonen. Nur weil man leicht auf etwas zugreifen und es leicht weiter verbreiten kann, heißt es nicht, dass man das auch darf oder tun sollte. Vielen Dank für Ihre Expertise und Ihre Zeit, Frau Goller.