ABC-Kalender März 2017: Streit ist der Vater allen Fortschritts

Schon der griechische Redner und Staatsmann Demosthenes soll dafür plädiert haben: Streit ist der Vater allen Fortschritts. Das gilt auch heute noch und ganz besonders für Unternehmen, deren Erfolgsbasis ständige Innovationen sind. Allen voran die Apples, Googles, Amazons dieser Welt. Es ist also – neben dem Persönlichen – auch wirtschaftlich sinnvoll, sich zielgerichtet zu streiten. Denn wir arbeiten in der Regel als diverse Teams, in denen jeder Einzelne Experte in einem bestimmten Bereich ist. Ob als Controllerin, Produktentwickler, Forscher, Marketingmann oder Onlinespezialistin. Jede und jeder von uns verfügt über Wissen auf einem oder mehreren Spezialgebieten. Da bekommt der Streit, als Streit der Meinungen und Erfahrungen, eine ganz andere Bedeutung.

Genies reichen nicht
Es reicht nicht, wenn sich nur die Experten ihres Faches Gedanken über Neues machen. Sie benötigen den fremden Blick, disziplinübergreifend, von außen betrachtet, was der Markt braucht, welche Trends zu erwarten sind oder auch den Blick auf andere Bereiche, in denen es coole neue Produkte und Vermarktungsideen gibt. Das Problem: Die Menschen streiten nicht gerne. Lieber gehen sie dem Streit und der Auseinandersetzung aus dem Wege. Lassen wir uns nicht vom Wort Streiten und seinen negativen Konnotationen abhalten. Denn oft empfindet man Streit als destruktiv, kräftezehrend, nervig und zeitaufreibend oder hat einfach auch Angst vor der Auseinandersetzung, wenn nicht gar vor einer Niederlage. Die gute Nachricht: Streiten kann man lernen.

Die Chancen des Streitens…
… bei der Entstehung von Innovationen lassen sich auch philosophisch untermauern. In einem lesenswerten Beitrag beschreibt der Historiker und Journalist Ferdinand Knauß die Kraft des Streits für die Entstehung von Innovationen. Danach entsteht Innovation nicht, wenn man nur Geld in neue Technik steckt. Auch ist sie nicht das Werk singulärer Genies. Neues entsteht da, wo Menschen sich nicht mehr einig sind. Entscheidend ist, dass eine Neuheit als sinnvoll und nicht als Unsinn beurteilt wird. Dazu braucht es oft erst einen kultivierten Streit. Der New Yorker Soziologe David Stark behauptet sogar, dass Unstimmigkeiten in einer durch gemeinsame Prinzipien verbundenen Gruppe die beste Voraussetzung für große Entdeckungen und Erfindungen sind. Nicht die Übereinstimmung also, sondern die Unstimmigkeiten sind Innovationstreiber. Eine überraschende Erkenntnis. Und ein klares Bekenntnis für eine ausgeprägte Streitkultur.

Die Möglichkeit des Scheiterns gehört im Übrigen unabdingbar zum Thema Innovation dazu. Das Scheitern von Innovationen ist nämlich eher der Regelfall. Scheitern ist zugleich der Kern der schöpferischen Zerstörung, die der österreichische Ökonom Joseph A. Schumpeter als Innovationstreiber definiert hat. Innovationen fallen also nicht vom Himmel! Neuerungen und deren Durchsetzung setzen Querdenker und Teams voraus, die bereit sind, Neues zu denken, an bessere Lösungen zu glauben und auch gegen Widerstand neue Wege zu beschreiten. Und sie müssen auf hohem Niveau streiten können – und wollen.

Buch-Tipp zum Weiterlesen
„Konfliktmanagement im Unternehmen“ von Stephan Proksch (Springer-Verlag).