ABC-Kalender Juli 2017: „Treffen sich ein Rabbi, ein Priester und ein Imam…“

Über Religion zu streiten ist ein bißchen so, wie über Geschmack zu streiten. Wohin sollte das führen? Auch wenn der Knigge nach wie vor an der alten Formel festhält, Politik und Religion seien keine Smalltalk-Themen, so gibt es doch gute Gründe, auch Letztere in die eine oder andere Debatte einzubeziehen. Vielleicht nicht gerade bei Sekt und Häppchen im Theaterfoyer, aber doch im öffentlichen Diskurs.

Ganz sicher kann es bei solchen Auseinandersetzungen nicht darum gehen, das Gegenüber argumentativ davon zu überzeugen, die eigene Religion sei „besser“ oder den anderen überlegen. Sehr wohl lässt sich aber über das streiten, was verschiedene Glaubensrichtungen in die politische und gesellschaftliche Realität hineintragen, die uns letztlich alle betrifft. Ob Vollverschleierung im öffentlichen Raum, christliche Kreuze in staatlichen Klassenzimmern oder das Schächten von Tieren – hier gibt es keine einfachen Antworten. Das alles sind Themen, über die wir uns auseinandersetzen müssen. Und bei denen niemand gleich die beleidigte Leberwurst geben sollte, weil er sich auf seinen religiösen Schlips getreten fühlt.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht?!
Humor und Religion sind im Zusammenspiel ebenfalls ein ziemlich heißes Eisen und häufig Anlass für Streit. Satire – zumindest in ihrer gelungenen Form – will jedoch nicht geschmacklos beleidigen, sondern die Absurditäten so mancher religiöser Praktik spitzzüngig offenlegen. Die evangelische Theologin Gisela Matthiae zum Beispiel tritt auch als Clown auf. Und das nicht, um ihren Glauben dem Klamauk preiszugeben, sondern um mit Humor die Schwachpunkte und Überzogenheiten von Ideologien und Dogmen aufzudecken. Die heftigen Proteste und gewalttätigen Ausschreitungen gegen die Mohammed-Karikaturen des Dänen Kurt Westergaard und der brutale Anschlag mit zwölf Toten auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo zeigen jedoch: Satire in Bezug auf Religion ist ein extrem schmaler Grat. Worüber die einen lachen, empfinden die anderen als krasse Beleidung oder Verschmähung.

Um eines abschließend ganz deutlich zu sagen: Die gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich derzeit an viel zu vielen Schauplätzen rund um die Welt im vermeintlichen Namen eines Gottes abspielen und in der Vergangenheit abgespielt haben – ob Schiiten gegen Sunniten, Israelis gegen Palästinenser, Muslime gegen Christen oder Protestanten gegen Katholiken – haben mit konstruktivem Streit oder gar ernst gemeintem religiösem Glauben nichts, aber auch gar nichts, gemein. Es handelt sich dabei schlicht um menschenverachtende und tödliche Gewalt, gegen die wir alle, so oft und so gut es uns möglich ist, mindestens verbal eintreten sollten. Gewalt ist Gotteslästerung. Darüber lässt sich nicht streiten. Auch nicht mit Humor.