Diversity-Kommunikation – Vielfalt leben heißt vielfältig kommunizieren

Accente on Tour – Mai 2019

Vielfalt ist Realität. Vielfalt bereichert. In Unternehmen ebenso wie im persönlichen Leben. Auch in der Kommunikation hat „one size fits all“ längst ausgedient, gefragt sind stattdessen zielgruppenspezifische Ansprachen. Aber wie lässt sich dieser Anspruch in die Praxis umsetzen? Und was hat Alexa mit all dem zu tun? Darüber sprach Erika Hettich, Accente BizzComm, mit Denise Hottmann, Leiterin Diversity & Inclusion bei Boehringer Ingelheim Deutschland. Die beiden trafen sich am Rande der EWMD Bodenseegespräche.

 

Erika Hettich (EH): Guten Morgen, liebe Frau Hottmann. Wir befinden uns hier bei den Bodenseegesprächen von EWMD, dem Frauen-Business-Netzwerk. Ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen, für Accente on Tour zum Thema Diversity-Kommunikation. Sie sind Leiterin von Diversity & Inclusion bei Boehringer Ingelheim Deutschland und seit 2017 im Vorstand der Charta der Vielfalt. Und wir haben Ihnen ein paar Fragen mitgebracht. Zunächst einmal die Frage: Wie kann Vielfalt in der Kommunikation denn überhaupt berücksichtigt werden?

Denise Hottmann (DH): Auf eine ganz vielfältige Weise (lacht). Zum einen ist es wichtig, seitens der Systeme inklusiv zu sein, um die Gesellschaft als Ganzes zu erreichen. Das meint auch die Menschen, die zum Beispiel eine Hör- oder Seheinschränkung haben. Zweitens ist es wichtig, die Bildsprache entsprechend auszurichten, so dass sich die Gesellschaft wiederfindet. Schließlich sollten wir bei der schriftlichen und gesprochenen Sprache darauf achten, dass wir auch wirklich alle meinen bzw. ansprechen.

EH: Gerade beim Thema Sprache gibt es ja viele Kritiker, die sagen, dass eine gendergerechte Ausdrucksweise die deutsche Sprache verunstalten würde. Was antworten Sie diesen Menschen?

DH: Ich glaube, Sprache hat sich schon immer verändert und wird sich auch weiter verändern. Ein Status Quo wird nie für immer bestehen bleiben. Es ist gut, sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen. Ich bin nicht dafür, dogmatisch vorzugehen und alle Menschen zu verurteilen, die vielleicht auch mal eine nicht-zeitgemäße Sprache verwenden. Auf der anderen Seite finde ich es wichtig, mit unserer Sprache wirklich die Menschen anzusprechen, die wir adressieren wollen. Es hilft bei kritischen Menschen durchaus, wenn sie Töchter haben (lacht). Es gibt interessante Studien, die zeigen, welchen Einfluss bestimmte Begrifflichkeiten beim Thema Berufswahl haben. Kleine Mädchen können sich nicht vorstellen, „Arzt“, „Astronaut“ oder „Wissenschaftler“ zu werden – ganz anders sieht es aber aus, wenn man auch die weibliche Form der Berufsbezeichnungen verwendet.

EH: Das ist nachvollziehbar. Wo wir gerade von weiblicher Sprache sprechen: Vor kurzem ist ein Bericht der UNESCO erschienen, in dem es um Sprachassistenten wie Alexa und Siri geht. Mal abgesehen davon, dass es in der Regel weibliche Stimmen sind, reagieren diese auch sehr merkwürdig auf Beschimpfungen und Beleidigungen. Der Bericht heißt „Ich würde erröten, wenn ich könnte“, was schon sehr vielsagend ist. Wie ist Ihre Position zu diesem Thema?

DH: Ich finde das ehrlich gesagt empörend. Zum einen ist es bezeichnend, dass die Stimmen, die solche Dienstsysteme verwenden, fast immer weibliche Stimmen sind. Dabei gibt es schon geschlechtsneutrale Stimmen. Ich würde mir wünschen, dass die großen Anbieter diese Stimmen auch verwenden. Und es funktioniert wirklich. Alleine die Tatsache, dass die Stimmen immer weiblich sind, bestätigt ja schon viele Klischees. Wenn dann noch Inhalte hinzukommen, wenn Beleidigungen mit solchen Aussagen wie „ich würde erröten“ beantwortet werden – dann unterstützt das natürlich Klischees, dass Frauen devot und unterwürfig sind oder auch bei Beleidigungen immer freundlich und zurückhaltend reagieren. Das bildet ganz sicher nicht die Realität ab, die wir in der deutschen Gesellschaft haben. Wir sollten auch kein Verhalten von Menschen prägen oder unterstützen, die so etwas dann möglicherweise unbewusst als adäquates Verhalten interpretieren. Das ist aus meiner Sicht einfach nicht akzeptabel.

EH: Sie sagen „in Deutschland“. Alexa, Siri und Co. werden ja international eingesetzt, wo es durchaus große Unterschiede gibt

DH: Ja, dadurch wird gewisses Verhalten dann noch unterstützt. Es gibt leider viele Länder, in denen Frauen viel weniger Rechte haben als wir in Deutschland. In denen Gewalt in der Ehe zum Beispiel nicht strafbar ist. In denen Verstümmelungen passieren. Systeme, die durch automatische Aussagen so reagieren wie wir eben gesagt haben, unterstützen natürlich, dass solches Verhalten als okay angesehen wird. Dagegen sollten wir uns wehren. Wir Frauen sollten stark sein und uns auch wehren, wenn wir beleidigt werden. Wir sind manchmal freundlich, aber manchmal auch nicht. In jedem Fall sollten wir bei Beleidigungen entsprechend reagieren. Und zwar weltweit.

EH: Setzen wir noch einmal die unternehmerische Brille auf. Welche kommunikativen Maßnahmen kann man in einem Unternehmen einführen, um das Thema Vielfalt zu unterstützen?

DH: Wir bekommen oft zu hören, dass die Vielfalt sichtbarer gemacht werden sollte und dass wir gute Beispiele brauchen. Das machen wir durch gezielte Kommunikation mit Berichten, in denen wir über Studien und Zahlen, aber auch über Menschen aus dem Unternehmen informieren. Auch Interviews machen wir – bei denen Accente BizzComm uns ja auch unterstützt. Wir wollen zum Beispiel zeigen, dass es eine große Vielfalt an weiblichen Führungskräften gibt, dass es nicht der eine Typ Frau ist, der bei uns im Unternehmen Karriere machen kann. Wir zeigen Menschen aus unserem Regenbogen Netzwerk, die lesbisch, schwul, bi, trans*, inter* oder queer sind, wie es in ihnen auf ihrem Lebensweg ergangen ist und wie sie sich heute bewegen. Denn auch da merken wir sowohl in der Gesellschaft als auch im Unternehmen, dass noch nicht alle so frei und so offen sie selbst sein können, wie wir uns das wünschen würden. Wir haben Veranstaltungen, wo sich Menschen begegnen können. Oft ist es ja so, dass einen das, was anders ist, als man selbst, erst einmal verunsichert. Vielleicht sogar auch ein bißchen Angst macht, irritiert. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Menschen zusammenführen. In dem Moment, wo da eine Person ist, mit der ich spreche, bekommt das eine ganz andere Qualität. Der persönliche Austausch hilft unglaublich.

EH: Sehr spannend. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit dem Thema Diversity & Inclusion in Ihrem Unternehmen. Und ganz herzlichen Dank für dieses offene Gespräch, Frau Hottmann.